Klagewelle in Bremen: Glücksspielbetreiber wehren sich gegen strenge Regeln
Mehr als 90 Betreiber von Spielotheken und Wettbüros klagen aktuell gegen die geltenden Regeln des Bundeslandes. Die restriktiven Gesetze betreffen die Standorte der Spielhallen, das Mindestalter der Besucher und die Gastronomie in den Glücksspielhäusern. Worum geht es den Klägern genau und wie könnte es weitergehen?
Schwerer Stand für Betreiber von Glücksspielen
Nahrungsmittel und Getränke sind verboten, Zutritt erst ab einem Alter von 21 Jahren und ein obligatorischer Mindestabstand von 500 Metern zu Bildungseinrichtungen sowie anderen Glücksspieletablissements – seit Juli letzten Jahres implementiert das kleinste Bundesland die striktesten Regulierungen für die Glücksspielindustrie.
Ursprünglich gab es im Land Bremen 150 Spielstätten, von denen aktuell noch 127 geöffnet sind. Aufgrund der neuen rechtlichen Bestimmungen ist damit zu rechnen, dass lediglich 34 dieser Einrichtungen bestehen bleiben. Die restlichen 93 Betreiber haben juristische Schritte eingeleitet und Klage gegen die Schließungsverfügungen eingereicht.
Maike Frese, Staatsrätin im Wirtschaftsressort, schätzt, dass es eine Weile dauern wird, bis von den ehemals 150 Spielhallen schließlich etwa 50 verbleiben, einschließlich jener mit Altkonzessionen, gegen die rechtlich nicht vorgegangen werden kann.
„Unsere Zielsetzung ist ja ganz klar, dass wir die Spielsucht stärker bekämpfen. Wir haben in Bremen das schärfste Gesetz. Vor allen Dingen dahingehend, dass wir die Abstände vergrößern, der Spielhallen untereinander, der Spielhallen zu den Wettstätten, Sportwetten, und zu den Schulen.” – Maike Frese, Staatsrätin im Wirtschaftsressort
Abwanderung zu illegalen Angeboten?
Die Landesregierung Bremen verfolgt mit den Regulierungen das Ziel, die Spielsucht einzudämmen. Auf der Gegenseite bringt Detlev Grass vom Nordwestdeutschen Automatenverband Bedenken vor, dass durch die Reduktion legaler Glücksspielangebote die Nutzung illegaler Spielautomaten ansteigen könnte.
Er verweist auf die Entwicklungen in Berlin, wo nach der Verschärfung des Glücksspielgesetzes im Jahr 2017 eine Zunahme der illegalen Spielgeräte zu verzeichnen war, die keinen Jugendschutz oder Spielerschutz bieten.
Was sagen die Experten?
Tobias Hayer, ein Glücksspielforscher aus Bremen, merkt an, dass konkrete Studien, die einen direkten Zusammenhang zwischen der Reduzierung legalen Glücksspiels und einem Anstieg illegalen Spielens belegen, nicht existieren. Untersuchungen in Spielhallen zeigen jedoch, dass ein Drittel der dort Anwesenden Probleme mit dem Glücksspiel hat.
Er betont, dass Beschränkungen der Verfügbarkeit von Glücksspiel einen präventiven Nutzen haben können: Die Spielaktivitäten nehmen ab, ebenso wie die damit verbundenen Probleme und die Nachfrage nach Hilfe. Diese Erkenntnisse lassen sich laut Hayer auf Deutschland übertragen.
„Wir wissen aus der Forschung, dass Verfügbarkeitsbeschränkung einen suchtpräventiven Mehrwert mit sich bringt. Es wird weniger gespielt, es werden weniger Probleme generiert, es gibt weniger Hilfesuchende. Und diese Befunde aus anderen Ländern sind sicherlich auch auf Deutschland übertragbar.“
Hayer unterstützt die Regelung in Bremen, die das Mindestalter für Glücksspiele auf 21 Jahre festsetzt, und erklärt, dass insbesondere junge Menschen im Alter von 18 bis 20 Jahren eine erhöhte Affinität zum Glücksspiel zeigen und sich häufiger finanziell überschätzen.
Wie sind die Aussichten für die Kläger?
Es handelt sich um circa zwei Dutzend Unternehmen, die meist mehrere Niederlassungen betreiben. Nachdem die klagenden Betreiber in über 100 Eilverfahren unterlagen und das Bundesverfassungsgericht eine Beschwerde zurückwies, schwindet die juristische Hoffnung nahezu vollständig. Detlev Grass vom Automatenverband setzt auf einen politischen Kompromiss:
„Ich bin nach wie vor mit allen Parteien im Gespräch, man hat uns ja auch von den Grünen und von den Linken tatsächlich einen Wink gegeben, wenn die SPD einen Schritt zurück gehen würde, würden wir den mitgehen. Mein Credo war immer, macht diesen 250 Meter Abstand zu Schulen, dann hätten wir schon über 50 Prozent der Spielhallen reduziert. Aber wenn du in einem Stadtstaat mit 500 Meter Abstand rechnest, hast du überhaupt keine Chance mehr.“ – Detlev Grass
Der nun beginnende Hauptverhandlungsmarathon markiert gewissermaßen den Anfang vom Ende. Bis Mitte oder Ende des nächsten Jahres könnte es dauern, vielleicht auch länger, bis alle Klagen bearbeitet und entschieden sind. Bis dahin toleriert die Behörde die noch geöffneten Spielhallen.